In den letzten 12 Monaten verzeichnete der S&P GSCI Commodities Index, der die Gesamtperformance verschiedener Rohstoffmärkte misst, einen drastischen Rückgang von mehr als 20 Prozent. Seit Jahresanfang ging es um ca. 9,54% abwärts (Stand: 10.07.023). Besonders betroffen waren Energierohstoffe wie Öl und Erdgas, die innerhalb eines Jahres etwa ein Viertel ihres Wertes verloren haben. Hingegen verzeichneten Industriemetalle wie Kupfer vergleichsweise geringere Verluste. Im Bereich der Agrarrohstoffe, zu dem unter anderem Zucker und Weizen gehören, konnten sogar Gewinne verbucht werden.
Experten äußern sich besorgt über die Entwicklung. Jim Wiederhold, Director of Commodities and Real Assets bei S&P Dow Jones Indices, erklärte gegenüber „CNBC“, dass Rohstoffe wie Industriemetalle dazu tendieren, vor wirtschaftlichen Frühindikatoren wie PMIs zu fallen und in der Vergangenheit dazu beigetragen haben, Abschwünge anzudeuten. Auch Roland Morris, Rohstoffstratege beim Fondsanbieter VanEck, ist besorgt und glaubt laut „MarketWatch“, dass die rückläufigen Rohstoffpreise auf eine bevorstehende Rezession in den USA und möglicherweise weltweit hindeuten könnten. Er betont, dass der allgemeine Rückgang der Rohstoffe seit dem Höchststand im März 2022 auf eine Verlangsamung des US-amerikanischen und globalen Wachstums hindeutet und die Rohstoffpreise unter Druck gesetzt hat. In seinen Warnungen ging Morris sogar so weit zu sagen, dass die wahrscheinlich erwartete Rezession die größte in der Geschichte sein könnte und möglicherweise diesen Sommer eintreten könnte.
Chinas Wirtschaftsversagen belastet Rohstoffmärkte
Viele Analysten stimmen darin überein, dass die rückläufigen Rohstoffpreise zumindest darauf hindeuten, dass sich Unternehmen und Verbraucher auf eine mögliche wirtschaftliche Talfahrt vorbereiten. Jim Wiederhold von S&P Dow Jones Indices erklärte gegenüber „CNBC“: „Im Allgemeinen sind in den letzten Monaten viele wichtige Rohstoffe eingebrochen, da Unternehmen und Verbraucher ihre Nachfrage im Vorfeld eines möglichen Wirtschaftsabschwungs reduzierten.“
Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung liegt in China, wo die Wiedereröffnungseffekte nach den zahlreichen COVID-Lockdowns schwächer ausfielen als erwartet und mehrere Konjunkturdaten enttäuschten. Reid I’Anson, Senior Commodity Analyst bei Kpler, einem Anbieter von Rohstoffdaten und Analysen, erklärte gegenüber dem US-Sender: „Das Versäumnis der chinesischen Wirtschaft, die Erwartungen des Marktes zu erfüllen, ist der Hauptgrund dafür, dass die Rohstoffmärkte Schwierigkeiten haben, Fuß zu fassen.“ Ein aggressives Konjunkturpaket seitens der chinesischen Regierung steht noch aus und selbst wenn es käme, müsste es „zum jetzigen Zeitpunkt beträchtlich sein, um die Märkte zu beeindrucken“, so der Experte von Kpler.
Auch Analyst Matty Zhao von der Bank of America äußerte Besorgnis hinsichtlich Chinas wirtschaftlicher Situation. Er erklärte laut „CNBC“, dass die Investitionen im Immobilienbereich im Vergleich zum Jahr zuvor um ca. 7% gesunken seien. Dies geht oft mit einem Nachfrageeinbruch und einem entsprechenden Preisverfall für die Metalle einher, die im Bausektor benötigt werden, darunter Stahl, dessen Herstellung Eisenerz, Aluminium, Kupfer und Nickel erfordert. Laut „DW“ war die chinesische Bauindustrie 2022 für 23% des Verbrauchs der Metalle in China verantwortlich. Eine rasche Erholung des chinesischen Immobiliensektors wird indes nicht erwartet.
Weltbank bleibt optimistisch
„Eisenerz und Kupfer dienen als zuverlässige Indikatoren für die sehr zyklischen Sektoren der Weltwirtschaft, wie das Baugewerbe und das verarbeitende Gewerbe, die an vielen Orten in einer Rezession stecken“, betonte Kpler-Analyst Reid I’Anson gegenüber „CNBC“. Allerdings zeigen Daten von „Markets Insider“, dass sich die Preise dieser beiden Rohstoffe seit Jahresbeginn insgesamt kaum verändert haben. Dennoch ist I’Anson der Meinung, dass es zu einem umfassenderen wirtschaftlichen Abschwung kommen wird, „insbesondere im Westen“, und er erwartet für die USA entweder im vierten Quartal 2023 oder spätestens im ersten Quartal 2024 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Europa werde dann drei bis sechs Monate später einen ähnlichen Kurs einschlagen.
Eine völlig gegensätzliche Sichtweise vertritt hingegen Ayhan Kose, stellvertretender Chefökonom der Weltbank. Er erklärte gegenüber „DW“: „Der Rückgang der Rohstoffpreise ist teilweise auf ein langsames globales Wachstum zurückzuführen, sollte aber nicht als Signal für eine drohende globale Rezession interpretiert werden.“ Obwohl der Rohstoffpreisindex der Weltbank in den ersten fünf Monaten des Jahres ebenfalls gesunken sei, spiegele dies vor allem eine Verschiebung wichtiger Rohstoffexporte aus Russland und der Ukraine, günstiges Winterwetter und eine Verlangsamung der globalen Wirtschaftstätigkeit wider. „Wir gehen davon aus, dass die Weltwirtschaft trotz ihrer Schwäche in den Jahren 2023 bis 2024 nicht in eine Rezession abrutschen wird“, fügte Kose hinzu.
Experten über Grund für Preisrückgänge uneinig
Möglicherweise täuscht der Rückgang der Rohstoffpreise und des S&P GSCI Commodities Index über die letzten zwölf Monate hinweg etwas, da viele Rohstoffpreise Anfang 2022 aufgrund des Ukraine-Konflikts stark angestiegen waren. Öl, Gas, Getreide und Pflanzenöle verteuerten sich deutlich nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine, aber mittlerweile sind die Preise wieder etwas gesunken. Obwohl der S&P GSCI Commodities Index in den letzten 12 Monaten und seit Jahresbeginn deutliche Rückgänge verzeichnete, liegt er derzeit nur knapp unter dem Niveau, das er zu Beginn des Jahres 2022 erreicht hatte. Über einen Drei- oder Fünf-Jahres-Zeitraum betrachtet notiert er sogar im Plus (Stand: 10. Juli 2023).
Will McDonough, Vorstandsvorsitzender der Energy and Minerals Group (EMG) Advisors, erklärte laut „MarketWatch“, dass sinkende Erdgas- und Kohlepreise im Energiesektor eine Reaktion auf die politische Lage in Bezug auf die Ukraine und Russland sowie auf Manipulationen durch Regierungen seien. Im vergangenen Sommer erreichte der Erdgaspreis beispielsweise den höchsten Stand seit mehr als zehn Jahren, nachdem Russland die Lieferungen über die Nordstream-Pipeline zunächst gekürzt und schließlich gestoppt hatte. Der schwache Energieverbrauch in Europa, teilweise aufgrund eines milden Winters, führte jedoch dazu, dass die Gasspeicher in der EU auf den höchsten Stand seit fünf Jahren anstiegen und somit die Preise drückten, wie Matty Zhao von der Bank of America laut „CNBC“ erläuterte.
Geetesh Bhardwaj, Forschungsdirektor bei SummerHaven Investment Management, hingegen ist davon überzeugt, dass der Rückgang der Rohstoffpreise nicht auf Fundamentaldaten beruht, da diese aufgrund der Mehr-Jahres-Tiefs bei den Lagerbeständen vieler Rohstoffe angespannt sind. Bhardwaj ist der Meinung, dass Rohstoffe eine „harte Landung“ für die Wirtschaft bereits eingepreist haben, wie er laut „MarketWatch“ betont. Letztendlich wird sich zeigen müssen, welcher der Experten recht behalten wird.
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